Nach rund dreissig Jahren Abwesenheit hat sich die Dohle vor zehn Jahren wieder in der Zofinger Altstadt angesiedelt. Wie aus dem Nichts bezogen gerade vier Brutpaare an der Stadtkirche die Nistkästen, welche eigentlich für den Alpensegler vorgesehen waren. Woher die Neuzuzüger kamen, wird rätselhaft bleiben, vielleicht von einer Waldkolonie in Strengelbach, vielleicht von der Kirche in Schöftland. Seither brüten jedes Jahr zwischen vier und sieben Paare an der Kirche und beleben mit ihrem heiteren Wesen die Altstadt.
Der Wohnraum für die gesellige Krähenart scheint aber knapp zu sein. Im Frühjahr 2009 wurde ein Paar beim Nestbau hinter einem Lüftungsgitter an einem Gebäude der Siegfried Ltd. beobachtet; ein Bruterfolg blieb zunächst aus. Als dann im darauffolgenden Frühjahr eine Mitarbeiterin eine verletzte Dohle in die Pflegestation der Schweizerischen Vogelwarte brachte, waren alle Zweifel ausgeräumt: die Dohle hat in Zofingen einen weiteren Brutplatz gefunden. An der wenig naturnahen Umgebung im Industriequartier nimmt die Art keinen Anstoss: die Dohle sucht ihre Nahrung weit vom Nistplatz entfernt auf Weiden und abgeernteten oder umgebrochenen Äckern. Das Fabrikgelände ist für die Art eine schluchtenreiche Felslandschaft mit vielen Höhlen und Spalten.
Ein Augenschein auf dem Firmenareal zeigte, dass Dohlen in Luftschlitze der Dachuntersicht des Baus 312 eindringen und die dort schon seit Jahrzehnten ansässigen Alpensegler bedrängen. Das weitere Vorgehen war bald beschlossen. Nachdem die Firma Siegfried grünes Licht gegeben hatte, bauten Mitglieder des Naturschutzvereins eine Serie von Nistkästen, um beiden Kulturfolgern ein Nebeneinander zu ermöglichen. Am Dienstag 11. Januar 2011 war es dann so weit: Mitarbeiter der Siegfried Ltd, Mitglieder des Naturschutzvereins Zofingen und – wichtigstes Werkzeug – die Autodrehleiter der Stützpunktfeuerwehr Zofingen waren vor Ort und montierten umsichtig und speditiv neue Brutmöglichkeiten für die Dohlen. Nach weniger als einer Stunde war alles vorbei: vier Nistkästen hingen oben an der Nordfassade des Baus 312, und die Handwerker standen wieder gesund am Boden.
Der Vorstand des Naturschutzvereins Zofingen dankt bei dieser Gelegenheit der Geschäftsleitung und den Direktbetroffenen für den spontanen Beitrag zu Gunsten der bedrängten Vogelwelt . Der reibungslose Ablauf der Montage sowie die unkomplizierte Zusammenarbeit von Naturschutzverein, Siegfried und Stützpunktfeuerwehr interpretieren die Beteiligten gerne als gutes Omen für das noch junge neue Jahr. Alle sind gespannt, ob die Dohlen das auch so sehen.
Christoph Vogel-Baumann